Nancy Wälti

nivelliert - oder der Versuch, es ins Lot zu lenken
18.10. - 29.11.2020

Bilder zur Ausstellung

  • Unabhängiges Gleichgewicht
  • Geschlossene Gesellschaft
  • Machtspiel
  • Masslos

Fotos: Kunsthaus Steffisburg

Nancy Wälti

Die Solothurner Künstlerin Nancy Wälti (*1977) setzt sich in ihren Arbeiten mit grundlegenden, existenziellen Fragestellungen auseinander.

Einfache Materialien und Alltagsgegenstände sind die Basis ihrer Arbeiten. Ihre inhaltlich tiefgründigen Werke formuliert sie in einer schlichten, zuweilen anmutigen Bildsprache. In ihrem Werk spielt Nancy Wälti mit der Einheit von Titel und Objekt. Ausgehend vom Titel entwirft sie ihre Werke, um uns als Rezipierende zum Nachdenken anzuregen. Die Sprache und die Idee, beide flüchtig, werden durch ihre Arbeiten greifbar und erhalten einen Körper.

In Masslos aus dem Jahr 2019 besticht ein goldener Massstab durch das Fehlen jeglicher Massangaben, die sich durch den Spiegel verdoppelt. Seiner Funktion enthoben formuliert Nancy Wälti in diesem Werk eine pointierte Gesellschaftskritik: Ein harmloser Alltagsgegenstand, der in
jedem Haushalt vorhanden ist, wird zum Sinnbild für Masslosigkeit. So wie es jeden Massstab treffen kann, kann es auch jeden von uns treffen.

In Machtspiel, aus dem Jahr 2009, durchbricht eine graugestrichene Wippe die Hauswand und ragt in den Aussenraum. Das Werk eignet sich den öffentlichen Raum als Ausstellungsfläche an und widerspiegelt das thematische Anliegen des Kunsthauses Steffisburg und der Ausstellung
„res publica“: Kunst wird zur öffentlichen Sache erklärt.

In Geschlossene Gesellschaft aus dem Jahr 2017 nimmt sie das Exklusive und das Elitäre aufs Korn. Zwei identische goldene Kelche stehen aufeinander, Cuppa auf Cuppa. Die beiden Einzelobjekte verschmelzen zu einem und der Hohlraum der Cuppa wird gegen aussen verschlossen.

Auch in Bilderstrecke von 2017 spielt sie mit dem Leerraum. Ein auseinandergeschnittener Bilderrahmen fasst die Leere in der Mitte ein und der Zwischenraum wird zum Bild.

Die aktuellste Arbeit aus diesem Jahr ist Auf- und Untergang. Einander gegenübergestellt sind sie in der West- und Ostachse des Gebäudes. Als Ausgangspunkt dienen Luftgewehrzielscheiben. Sukzessive werden diese beschnitten: Vom Runden zum Halbrunden, vom Halbrunden bis zur
gekrümmten Linie. Handelt es sich hierbei um eine Anspielung auf den Mond- und Sonnenzyklus? Oder spricht die Künstlerin hier über den Auf- und Untergang des gesellschaftlichen Lebens im Jahr 2020? Die Interpretation bleibt dem Rezipienten, der Rezipientin überlassen.

Im Werk Unabhängiges Gleichgewicht aus dem Jahr 2017 werden zwei schwere Klötze in die Waagschalen gelegt. Eine Schranke trennt die Waagschalen von einer kleinen Büchse auf dem Boden: Der Büchse der Pandorra. Schützt die Schranke das Gleichgewicht vor dem Chaos der
Büchse? Die Leichtigkeit der formalen Darstellung kontrastiert Nancy Wälti dabei mit dem inhaltlichen Ernst und Hintergrund. Gerade mit der Reduktion aufs Minimale schafft sie ein Understatement, mit dem sie die Betrachtenden wachrüttelt und diese dabei sanft aber wirkungsvoll entwaffnet.

Text: Julia Strobel